
Die Energiebranche steht unter Spannung: Regulatorische Reformen verzögern sich, Innovationen beschleunigen den Wandel und Batteriespeicher werden zum Taktgeber. Vier Dynamiken bestimmen im Jahr 2026 den Diskurs um künftige Stabilität oder neue Komplexität im deutschen Energiesystem.
2026 wird zum Jahr der Beschleunigung – und zur Bewährungsprobe. Die Energiewende hat zwar Tempo aufgenommen, stößt aber an die Grenzen ihres eigenen Erfolgs. Während Batteriespeicher in Rekordzeit entstehen, können Prozesse der System- und Netzführung den starken Zuwachs an Kurzfristflexibilität noch nicht abbilden. Damit bringen die neuen Technologien neben Flexibilität auch Unsicherheit mit sich.
Der aufgestaute Reformbedarf und die Dynamik beim Zubau von erneuerbaren Energien und Großbatteriespeichern führen zu einer Unwucht in der Funktionsweise des Energiesystems. Das Jahr 2026 wird zeigen, welche Lösungsbausteine gefunden werden, um das Energiesystem für die Zukunft zu rüsten. Benedikt Deuchert, Director Business Development & Regulatory Affairs bei Kyon Energy, benennt vier Diskurse, die das Jahr 2026 bestimmen werden.
Der von der Bundesnetzagentur initiierte Prozess AgNes („Verfahren zur Festlegung der Allgemeinen Netzentgeltsystematik Strom“) soll die Berechnung und Verteilung der Netzentgelte grundlegend überarbeiten – mit dem Ziel, sie gerechter und transparenter zu gestalten und sie an die Erfordernisse eines dezentralen Energiesystems anzupassen. Damit erreicht die politische und regulatorische Weichenstellung der vergangenen Jahre in 2026 ihre entscheidende Phase. Der AgNes-Prozess legt fest, wer die enormen Kosten der Netzinfrastruktur künftig tragen soll und hat damit Konsequenzen für alle Akteure im Stromsystem. Geplant ist ein Ergebnis zum Ende 2026.
Für Betreiber von Batteriespeichern ist dieser Reformprozess zentral, weil seine Ergebnisse darüber entscheiden, ob bzw. in welchem Umfang Speicher künftig Netzentgelte zahlen müssen. Eine Behandlung von Speichern als Kombination aus Einspeiser und Verbraucher, mit unterschiedsloser Erhebung von Netzentgelten im Vergleich zu Verbrauchern, ist aus Sicht von Kyon nicht sachgerecht und würde den wirtschaftlichen Betrieb von Speichern ab den 2030er Jahren in Frage stellen. Ideen wie symmetrische Speicher-Netzentgelte, die zuletzt auch von der Bundesnetzagentur aufgegriffen wurden, weisen in die richtige Richtung, sind aber mit Blick auf zu treffende Investitionsentscheidungen noch deutlich zu vage.
Die Branche steht damit vor einer paradoxen Situation: Der flächendeckende Ausbau von Großbatteriespeichern ist längst Bestandteil des Netzentwicklungsplans und auch in den 2030er Jahren vorgesehen. Der fortlaufende privatwirtschaftliche Ausbau solcher Analgen bleibt jedoch unklar.
Eine schnelle Entscheidung für einen diskriminierungsfreien Umgang mit Speichern in einem künftigen Netzentgeltregime ist also zwingend erforderlich. Im Herzen einer solchen Umsetzung sollte stehen, dass netzbelastendes Verhalten vermieden und gleichzeitig -entlastendes Verhalten angereizt wird – beispielsweise durch die oben schon genannten symmetrischen Netzentgelte. Dies würde nicht nur eine Zusatzbelastung der Netzinfrastruktur durch den Speicherausbau eindämmern, sondern gezielt für Entlastung der Netzinfrastruktur sorgen.
Parallel zu dieser Unsicherheit entsteht 2026 die marktliche Basis zur Sicherstellung eines stabilen Energiesystems, in dem konventionelle Kraftwerke eine untergeordnete Rolle spielen.
Mit der Einführung einer marktlichen Beschaffung von Momentanreserve wird die Grundlage hergestellt, um mittelfristig sog. rotierende Massen durch synthetische Bereitstellung von Momentanreserve ersetzen zu können. Im Kern geht es darum, dass technische Anlagen, wie Batteriespeicher, zur Frequenzhaltung beitragen, indem sie dem Energiesystem mittels gezielter kurzfristiger Energieflüsse das Pendant von Massenträgheit eines rotierenden Generators zur Verfügung stellen.
Die technische Beschaffenheit vieler Batteriespeicher erlaubt die Bereitstellung von positiver und negativer Momentanreserve. Neben der Bereitstellung von Regelenergie tragen Batteriespeicher künftig also zusätzlich in Sekundenbruchteilen dazu bei, dass die Frequenz zum Beispiel bei einer Störung weniger schnell abfällt und die Situation nicht kritisch wird, bis die Regelenergie abgerufen werden kann. Erste Preislisten für die Erbringung von Momentanreserve wurden durch die Übertragungsnetzbetreiber im November 2025 veröffentlicht. Dann zeigt sich, ob die Erbringung von Momentanreserve durch Batteriespeicher kostendeckend möglich ist.
Gleichzeitig gewinnen Blindleistungsmärkte an Bedeutung. Die Bereitstellung von Blindleistung trägt zur Spannungshaltung des Stromnetzes bei. Teilweise wird die Bereitstellung bereits heute unentgeltlich von allen Anschlussnehmern gefordert. Doch dieser Teil ist nicht durch die Netzbetreiber zu jeder Zeit steuerbar und auch insgesamt nicht ausreichend für die Spannungshaltung. Die marktliche Erbringung von Blindleistung, über das im Rahmen der technischen Anschlussrichtlinien geforderte Maß könnte ab kommendem Jahr Teil der Betriebsstrategie für Batteriespeicher werden.
Diese Entwicklung zeigt, wie tiefgreifend sich das Energiesystem wandelt: Netzstabilität wird nicht mehr allein durch konventionelle Erzeugung gesichert, sondern auch durch neue Flexibilitätsoptionen wie Batteriespeicher. Dies festigt die Rolle von Batteriespeichern als Schlüsselakteur für System- und Netzstabilität – sie werden damit zu einem wichtigen Baustein der Versorgungssicherheit.
Das Jahr 2026 markiert den Durchbruch beim Ausbau stationärer Großbatteriespeicher. Nach Jahren der Vorbereitung beginnt in diesem Jahr der flächendeckende Rollout: Trotz der regulatorischen Unsicherheiten werden wohl deutlich über ein Gigawatt neuer Speicherkapazität ans Netz gehen.
Allein Kyon Energy plant, mit bis zu zehn Projekten und einer Leistung von rund 400 Megawatt in Betrieb zu gehen. Damit erreicht der Markt eine neue Größenordnung. Was in der Vergangenheit als Zukunftsversprechen galt, wird 2026 Realität. Dieser Boom wird den Markt verändern: Batteriespeicher reagieren auf Preissignale, dämpfen negative Strompreise und reduzieren die Preisvolatilität. Die Endkunden sind die Gewinner.
Der Hochlauf der Batteriespeicher verlangt den Akteuren im Stromsystem eine höhere Reaktionsgeschwindigkeit ab, allen voran den Netzbetreibern. Es gibt immer mehr Flexibilitätsquellen, deren Betriebsführung Rückwirkungen auf Netzbetrieb und Preisbildung haben könnten.
Auf Systemebene wird Regelleistung erbracht und es werden durch die kurzfristig anpassbaren Einsatzpläne Preisspitzen geglättet. Soweit die Preise die lokale Netzsituation gut abbilden, kann engpassminderndes Verhalten zudem Netzbelastungen reduzieren.
Gleichzeitig steigt jedoch die Komplexität für die Netzführung. Mehr Speicher bedeuten mehr Steuerungsbedarf, mehr Schnittstellen und einen höheren Bedarf danach, dass Preissignale und Netzbedarfe nicht auseinanderfallen.
Die Prozesse von System- und Netzführung müssen gemeinsam mit den Betreibern von kurzfristigen Flexibilitäten lernen, mit variablen Einsatzplänen umzugehen. Um dauerhaft mit den neuen Entwicklungen umgehen zu können, muss die Digitalisierung der Netze massiv beschleunigt werden. Dies muss 2026 entschlossener als bisher angegangen werden, auch wenn die Umsetzung viele (weitere) Jahre in Anspruch nehmen wird.
Das Jahr 2026 wird somit zum Labor für ein Energiesystem, das Stabilität durch gut aufeinander abgestimmte Abläufe von steuerbaren Ressourcen gewinnen könnte. Es wird zeigen, wo der Einsatz von Flexibilität zu planbarer Sicherheit oder zu neuen Unsicherheiten führen kann.
Das künftige Energiesystem nimmt 2026 Gestalt an: technisch bereit, regulatorisch jedoch noch unentschlossen. Batteriespeicher liefern das Potenzial dafür, was Politik und Regulatorik noch schulden: Tempo, Flexibilität und Versorgungssicherheit. Ob sich daraus ein stabiler Markt entwickelt oder ein System unter Dauerstress entsteht, entscheidet sich in diesem Jahr.