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Allgemein
24.8.2022

Warum rund 3% aller Erneuerbaren jährlich abgeschaltet werden

Lesedauer:
3 min

Ein schneller und großflächiger Ausbau von erneuerbaren Energien ist für eine erfolgreiche Energiewende die zentrale Voraussetzung. So viel ist in den letzten Jahren mehr als klar geworden. Mit dem ambitionierten Ziel einer Stromerzeugung aus 80% Erneuerbaren bis 2030 hat die Bundesregierung den Ausbau klar in den Fokus gesetzt. Doch was passiert, wenn all diese Anlagen gleichzeitig produzieren? An sehr sonnigen und windigen Tagen produzieren Solar und Wind bereits heute so viel Strom, dass die Stromnetze an ihre Kapazitätsgrenze stoßen. Ein Teil der Anlagen muss dann zur Gewährleistung eines sicheren Netzbetriebs abgeschaltet werden. In unserem Artikel „Batteriespeicher als Schlüsseltechnologie der Energiewende“ ist dies an einem Beispieltag ausführlich beschrieben.  Betrachtet man diese Abschaltungen über das ganze Jahr hinweg, so mussten bereits 2021 ganze 3% der erneuerbaren Erzeugung abgeschaltet werden, um eine Überlastung der Strominfrastruktur zu vermeiden. In absoluten Mengen entspricht das 5,82 TWh. Zum Vergleich: Ein Haushalt hat jährlich einen durchschnittlichen Verbrauch von 2.800 kWh. Allein mit der abgeregelten Menge könnte man also über 2 Millionen Haushalte ein Jahr lang mit Strom versorgen.

Doch warum ist das Stromnetz bereits mit dem heutigen Anteil an Erneuerbaren so überfordert?

Grund dafür ist, dass die aktuelle Strominfrastruktur in Deutschland nicht auf die hohe Volatilität von erneuerbaren Erzeugungsanlagen ausgelegt ist. Durch die starke Wetterabhängigkeit produzieren beispielsweise Solaranlagen vor allem tagsüber an sonnigen Tagen. Ist es an diesen Tagen zusätzlich sehr windig, drängen große Mengen an Strom aus Windenergieanlagen zusätzlich ins Netz. Es wird dann insgesamt so viel Strom in bestimmten Regionen produziert, dass die Leitungen nicht ausreichen, um ihn zu den Verbrauchern zu transportieren. Dadurch muss zwangsweise ein Teil der Erneuerbaren abgeschaltet werden, um die Stromleitungen nicht übermäßig zu belasten. Denn diese waren bis jetzt auf eine gut regelbare und möglichst lastnahe Stromversorgung durch konventionelle Großkraftwerke ausgelegt. Damit insgesamt die Strommenge in Deutschland ausreicht, muss zum Ausgleich für die Abschaltungen Erzeugung an anderer Stelle hochgefahren werden. Hierfür werden zum Beispiel Gaskraftwerke genutzt.
In der Fachsprache wird dieser Vorgang der engpassbedingten Verschiebung von Stromerzeugung als „Redispatch“ bezeichnet. Dieser ist besonders in Regionen nötig, in denen – wie im Norden Deutschlands – viele Erneuerbare gebaut wurden, oder in Regionen, in denen die Entwicklung des Stromnetztes dem Ausbau der Erneuerbaren sehr stark hinterherhinkt.

Der schnelle Ausbau der Erneuerbaren trifft also auf eine Strominfrastruktur, die nicht auf die volatilen Anforderungen dieser Anlagen ausgelegt ist. Dadurch kommt es zu Maßnahmen für Netzengpassmanagement, die nicht nur zu einer Abschaltung von ca. 3% der erneuerbaren Stromerzeugung führen, sondern die im Jahr 2021 insgesamt einen Betrag von stolzen 2,3 Mrd. Euro verschlungen haben – Tendenz steigend.

Wie können diese Abregelungen verhindert werden?

Die intuitive Lösung zur Anpassung der Netzinfrastruktur an die veränderten Voraussetzungen ist der Ausbau der Stromleitungen. Durch einen sehr hohen bürokratischen und zeitlichen Aufwand hinkt jedoch der Netzausbau dem Ausbau der Erneuerbaren stark hinterher. Netzausbauprojekte wie die Elbquerung im Rahmen des „SüdLink“-Projekts, einer 5km langen Trasse unterhalb der Elbe, haben beispielsweise ein geschätztes Fertigstellungsdatum von 2028, wenn alles nach Plan läuft. Dass das Stromnetz also allein durch den Netzausbau bei diesem Tempo bis 2030 auf 80% Erneuerbare vorbereitet werden kann, ist höchst unwahrscheinlich bis unmöglich.
Zusätzlich ist der Netzausbau „bis zur letzten kWh“, also die Dimensionierung des Netztes auf die künftigen extremen Erzeugungsspitzen von Erneuerbaren, extrem teuer und würde viele Milliarden Euro kosten.  

Um die Abregelungen von bis zu 3% der bundesweiten Erneuerbaren zu vermeiden, müssen also weitere Lösungen in Betracht gezogen werden. Sowohl die Forschung als auch die Regulierungsbehörde BNetzA setzen hierfür in Ihren Zukunftsszenarien vermehrt auf den großflächigen Ausbau von Speichersystemen. So prognostiziert sowohl das Fraunhofer Institut ISE in der Studie „Wege zu einem klimaneutralen Energiesystem“, als auch die Bundesnetzagentur im Szenariorahmen des Netzentwicklungsplans 2023 einen starken Ausbau der Energiespeicher. (Mehr dazu in unserem Artikel „Regulierung und Forschung ist sich einig: Mehr Speicher müssen gebaut werden“)

Durch ihre Eigenschaft, Strom zu einem beliebigen Zeitpunkt aufzunehmen und zu einem späteren Zeitpunkt wieder in das Netz einspeisen zu können, bieten Speichersysteme eine sehr effektive Lösung zur Verhinderung der Abregelungen von Erneuerbaren. Werden bundesweit Speicher an den Standorten gebaut, an denen es vermehrt zu Netzengpässen kommt, können diese in Zeiten hoher Produktion den überschüssigen Strom aufnehmen und später, wenn keine Gefahr mehr für einen Netzengpass besteht (beispielsweise nachts, wenn kein Sonnenstrom erzeugt wird), wieder einspeisen. So können Speichersysteme, speziell Batteriegroßspeicher, die schnell und überall gebaut werden können, effektiv verwendet werden, um die Abregelung der Erneuerbaren zu verhindern und diese somit effizienter zu nutzen. Erneuerbare Stromerzeugung wird dann genutzt statt abgeregelt.

Ein großflächiger Ausbau von Energiespeichern, führt also nicht nur dazu, dass der sonst verlorene Strom für aktuell ca. 2 Millionen Haushalte tatsächlich produziert werden kann, sondern auch dazu, dass insgesamt weniger Erneuerbare wie Windräder und Solaranlagen gebaut werden müssen, um das 80%-Ziel zu erreichen und in den folgenden Jahren die Energiewende abzuschließen.

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