Blindleistung ist der Anteil der elektrischen Leistung in einem Wechselstromsystem, der durch die Phasenverschiebung zwischen Spannung und Strom entsteht. Im Gegensatz zur Wirkleistung verrichtet die Blindleistung keine direkte Nutzarbeit. Sie wird benötigt, um elektrische und magnetische Felder in Geräten mit Induktivitäten und Kapazitäten wie Elektromotoren, Transformatoren oder Kondensatoren aufzubauen und aufrechtzuerhalten. Aus Sicht des Netzes stellt Blindleistung jedoch eine zusätzliche Belastung dar: Sie verursacht Stromfluss, ohne dass dabei Wirkleistung übertragen wird, und beansprucht damit Leitungen und Betriebsmittel. Deshalb gilt sie im Netzbetrieb als Störfaktor, der die Effizienz mindert.
Blindleistung unterscheidet sich damit deutlich von der Verlustleistung: Verlustleistung entsteht meist durch ohmsche Widerstände und wird überwiegend in Wärme umgesetzt. Blindleistung dagegen ist eine notwendige Begleitgröße des Wechselstrombetriebs, da sie für den Aufbau und die Aufrechterhaltung elektrischer und magnetischer Felder erforderlich ist. Blindleistung belastet das Stromnetz, ohne unmittelbar nutzbar zu sein, weshalb ihr Anteil technisch und wirtschaftlich möglichst gering gehalten wird. Mit dem Rückgang konventioneller Kraftwerke und dem zunehmenden Ausbau erneuerbarer Energien steigt ihr Bedarf jedoch deutlich an. Daher muss Blindleistung heute gezielt und flexibel bereitgestellt werden, um die Spannungshaltung und Netzstabilität zu sichern.

Batteriegroßspeicher können im Stromnetz vielfältige Systemdienstleistungen erbringen. So können sie neben der Teilnahme am Regelenergiemarkt ebenfalls gezielt Blindleistung bereitstellen. Diese Aufgabe ist nicht nur auf Zeiten beschränkt, in denen der Speicher Energie ein- oder ausspeichert – vielmehr verfügen Batteriegroßspeicher über eine wirkleistungsunabhängige Blindleistungsbereitstellung, die je nach Bedarf des Netzbetreibers eine schnelle und flexible Blindleistungsreaktion ermöglicht.
Gemäß den Technischen Anschlussrichtlinien sind Batteriespeicher grundsätzlich verpflichtet, eine bestimmte Menge an Blindleistung bereitzustellen. Über diese Mindestanforderungen hinaus kann die zusätzliche Blindleistungsbereitstellung im Rahmen eines marktgestützten Verfahrens erfolgen.
Seit der Einführung des Blindleistungsmarktes im Jahr 2025 können Batteriegroßspeicher diese zusätzliche Bereitstellung von Blindleistung anbieten und dadurch zusätzliche Erlöse erzielen. Die ersten Ausschreibungen fanden im Sommer 2025 statt und werden künftig regelmäßig durchgeführt. Mit der Einführung des Marktes sind nun auch die Verteilnetzbetreiber stärker in die Blindleistungsbeschaffung eingebunden. Dadurch gewinnen Batteriegroßspeicher auf allen Spannungsebenen zunehmend an Bedeutung.
Es obliegt den Netzbetreibern, die benötigte Blindleistung zuverlässig und in ausreichendem Maße sicherzustellen. Bis zu einem bestimmten Umfang ist die Erbringung von Blindleistung durch Batteriegroßspeicher in den Technischen Anschlussbedingungen (TAB) der jeweiligen Netzbetreiber sowie in den vom VDE herausgegebenen Technischen Anschlussrichtlinien (TAR) geregelt. Für die verpflichtende Bereitstellung von Blindleistung erhalten die Anlagenbetreiber keine zusätzliche Vergütung – trotz der dadurch entstehenden Mehrkosten. Eine Blindleistungsbereitstellung über die beschriebenen Mindestanforderungen hinaus, kann seit 2025 im Rahmen einer marktgestützten Beschaffung von Blindleistung erfolgen.
Die verpflichtende Bereitstellung von Blindleistung ist zunächst in den Technischen Anschlussbedingungen (TAB) der Netzbetreiber sowie in den vom VDE herausgegebenen Technischen Anschlussrichtlinien (TAR) geregelt. Darüber hinausgehender Bedarf wurde bislang häufig über bilaterale Verträge zwischen meist konventionellen Großkraftwerken und den jeweiligen Übertragungsnetzbetreibern gesichert. Die Preisfindung erfolgte dabei in individuellen Verhandlungen und wurde nicht veröffentlicht, was zu einer geringen Transparenz führte. Laut Bundesnetzagentur (BNetzA) variieren die vereinbarten Preise erheblich und bewegen sich zwischen 0,08 und 2,27 €/MVArh (Quelle: Diskussionspapier „Blindleistungsbereitstellung für den Netzbetrieb“, BNetzA).
Bereits 2019 hat der Gesetzgeber mit § 12h des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG) festgelegt, dass die Beschaffung von Blindleistung – analog zu anderen Stromprodukten wie der Regelenergie – auf einem transparenten, diskriminierungsfreien und marktgestützten Verfahren basieren soll.
Um diese Vorgabe umzusetzen, hat die Bundesnetzagentur Anfang 2023 ein Festlegungsverfahren gemäß §§ 12h Abs. 5, 29 Abs. 1 EnWG eingeleitet. Die entsprechende Festlegung wurde am 25.06.2024 mit dem Beschluss BK6‑23‑072 veröffentlicht und umfasst die wesentlichen Spezifikationen und technischen Anforderungen für die marktgestützte Beschaffung von Blindleistung.
Demnach sind die Betreiber von Höchst- und Hochspannungsnetzen verpflichtet, innerhalb der jeweiligen Regelzone mehrere Beschaffungsregionen auszuweisen, für die die marktgestützte Beschaffung jeweils getrennt erfolgt. Innerhalb von zwölf Monaten nach der Festlegung müssen sie für mindestens eine Beschaffungsregion marktgestützte Ausschreibungen zum Blindleistungsbedarf durchzuführen. Spätestens 36 Monate nach der Festlegung muss die marktgestützte Beschaffung in allen Netzregionen eingeleitet sein, sofern Bedarf besteht.
Blindleistung wurde traditionell von großen Kraftwerken und speziell dafür gebauten Phasenschiebern bereitgestellt. Inzwischen sind allerdings alle Anlagen mit Anschluss oberhalb der Niederspannung – einschließlich erneuerbarer Erzeugungsanlagen und Batteriegroßspeicher – nach den Technischen Anschlussrichtlinien (TAR) verpflichtet, eine bestimmte Menge unentgeltlich bereitzustellen. Mit dem fortschreitenden Ausbau erneuerbarer Erzeugungsanlagen, Batteriegroßspeichern und dem schrittweisen Rückgang konventioneller Kraftwerke gewinnt diese Fähigkeit zunehmend an Bedeutung. Netzbetreiber können dadurch auf eine wachsende Zahl dezentraler Anlagen zurückgreifen und sicherstellen, dass das Stromnetz auch künftig durch ausreichende Blindleistung stabilisiert wird. Besonders Batteriespeicher bieten hier einen entscheidenden Vorteil: Sie können unabhängig von der Wirkleistung gezielt kapazitive oder induktive Blindleistung bereitstellen oder aufnehmen und so aktiv zur Spannungshaltung beitragen.