Blindleistung

Definition

Blindleistung bezeichnet jenen Anteil der elektrischen Leistung in einem Wechselstromnetz, der durch eine Phasenverschiebung zwischen Strom und Spannung entsteht. Im Gegensatz zur Wirkleistung verrichtet Blindleistung keine direkte Arbeit, sondern dient dazu, elektrische und magnetische Felder in Geräten wie Elektromotoren, Transformatoren oder Kondensatoren aufzubauen und aufrechtzuerhalten. Obwohl Blindleistung für den Betrieb vieler elektrischer Anlagen unerlässlich ist, stellt sie für das Netz eine zusätzliche Belastung dar: Sie verursacht einen Stromfluss, der keine Wirkleistung überträgt, und beansprucht dadurch Leitungen und Betriebsmittel. Im Netzbetrieb gilt Blindleistung daher als Effizienz mindernd und sollte möglichst gering gehalten werden.

Blindleistung ist klar von der Verlustleistung zu unterscheiden. Während Verlustleistung meist durch ohmsche Widerstände entsteht und in Form von Wärme abgegeben wird, ist Blindleistung eine notwendige Begleiterscheinung des Wechselstrombetriebs und für den Aufbau und Erhalt von Feldern erforderlich.

Beispiel: Ein Elektromotor mit einer Scheinleistung von 1000 VA und einem Leistungsfaktor (cos φ) von 0,9 kann lediglich 900 W Wirkleistung bereitstellen. Die Differenz – die Blindleistung – entsteht durch die Wechselwirkung von Spannung und Strom im Motor. Blindleistung „schwingt“ zwischen Motor und Netz hin und her, sie geht also nicht verloren, sondern pendelt hin und zurück. Damit 900 W Wirkleistung bereitgestellt werden können, müssen 1000 VA Scheinleistung übertragen werden; folglich müssen die Netze auf diese Scheinleistung ausgelegt werden.

Eine ausführliche technische Erläuterung zur Entstehung von Blindleistung befindet sich am Ende dieses Glossareintrags.

Da Blindleistung das Stromnetz belastet, ohne unmittelbar nutzbar zu sein, wird ihr Anteil technisch und wirtschaftlich möglichst gering gehalten. Mit dem Rückgang konventioneller Kraftwerke und dem Ausbau erneuerbarer Energien steigt der Bedarf an gezielter, flexibler Bereitstellung von Blindleistung jedoch deutlich an. Dies ist notwendig, um Spannung und Netzstabilität zu gewährleisten.

Wie funktioniert die Bereitstellung von Blindleistung?

Die Verantwortung zur Sicherstellung der benötigten Blindleistung liegt bei den Netzbetreibern. Bis zu einem bestimmten Umfang ist die Bereitstellung durch Batteriegroßspeicher in den jeweiligen Technischen Anschlussbedingungen (TAB) sowie den vom VDE veröffentlichten Technischen Anschlussrichtlinien (TAR) geregelt.

Der erforderliche Anteil an Blindleistung beträgt je nach Netzbetreiber häufig etwa 10 % der angeschlossenen Leistung. Beispielsweise muss ein Batteriegroßspeicher, der 10 MW Wirkleistung einspeist, zusätzlich 1 MVAr Blindleistung bereitstellen, sofern eine statische Blindleistungserbringung von 10 % gefordert ist.

Für diese verpflichtende Bereitstellung erhalten Anlagenbetreiber keine gesonderte Vergütung, obwohl dabei Mehrkosten entstehen. Seit 2025 ist es jedoch möglich, Blindleistung über die Mindestanforderungen hinaus im Rahmen eines marktgestützten Verfahrens bereitzustellen und zu vergüten.

Wie könnten Batteriegroßspeicher am Blindleistungsmarkt teilnehmen?

Batteriegroßspeicher bieten im Stromnetz vielfältige Systemdienstleistungen an, darunter auch die gezielte Bereitstellung von Blindleistung – unabhängig davon, ob Energie ein- oder ausgespeichert wird. Sie können daher schnell und flexibel auf den Bedarf des Netzbetreibers reagieren.

Gemäß Technischer Anschlussrichtlinien sind Batteriespeicher grundsätzlich verpflichtet, einen definierten Anteil Blindleistung bereitzustellen. Darüber hinaus ist seit Einführung des Blindleistungsmarkts im Jahr 2025 die zusätzliche, marktbasierte Blindleistungsbereitstellung möglich. Die ersten Ausschreibungen fanden im Sommer 2025 statt und werden künftig regelmäßig durchgeführt. Mit dem Markteintritt sind nun auch Verteilnetzbetreiber stärker in die Beschaffung eingebunden, wodurch Batteriegroßspeicher auf allen Spannungsebenen an Bedeutung gewinnen.

Technischer Hintergrund: Wie entsteht Blindleistung?

Zur Veranschaulichung dient ein vereinfachtes Beispiel: Ein Elektromotor nimmt eine Scheinleistung von 1000 VA auf. Im Betrieb baut der Motor elektrische und magnetische Felder auf. Wird der Motor mit 50 Hz Wechselspannung – wie in Europa üblich – betrieben, treten pro Sekunde 50 Maxima von Spannung und Stromstärke auf, jeweils alle 20 Millisekunden. Durch die induktive Wirkung des Motors verzögert sich der Stromverlauf gegenüber der Spannung, beispielsweise um 1,4 Millisekunden. Das entspricht einer Phasenverschiebung von etwa 26°(phi = 26°, cos φ = 0,9).

Leistung ergibt sich aus dem Produkt von Spannung und Strom. Aufgrund der Phasenverschiebung entsteht zeitweise eine negative Leistung, wenn Spannung und Strom entgegengesetzte Vorzeichen haben. Ein Teil der positiven Leistung wird so wieder aufgehoben – das ist die Blindleistung. Im Beispiel wird die vom Motor genutzte Wirkleistung durch den Faktor cos φ = 0,9 reduziert. Von 1000 VA Scheinleistung stehen nur 900 W Wirkleistung zur Verfügung. Die induktive Blindleistung beträgt sin(26°) × 1000 VA, also ca. 440 Var („Voltampere reaktiv“). Das Stromnetz muss auf die gesamte Scheinleistung ausgelegt werden, um die gewünschte Wirkleistung bereitstellen zu können.