Der Strompreis wird maßgeblich durch den Handel an den unterschiedlichen Strombörsen festgelegt. An den Kurzfriststrombörsen (Day-Ahead und Intra-Day-Handelsgeschäften) folgt die Preisbildung ganz einfachen marktwirtschaftlichen Kriterien. Das Einzige, was den Handel mit elektrischer Energie vom Handel vieler anderer Handelsgüter unterscheidet, ist, dass das Angebot und die Nachfrage viertelstundenscharf aufeinander abgestimmt sein müssen.
Negative Strompreise entstehen also, wenn das Stromangebot die lokale Nachfrage übersteigt und überschüssiger Strom nicht exportiert werden kann. In solchen Fällen zahlen Stromerzeuger dafür, dass ihr Strom abgenommen wird. Käufer an der Strombörse erhalten Geld für den Strombezug.
Negative Strompreise entstehen, wenn das Stromangebot die Nachfrage übersteigt. Besonders bei hoher Einspeisung aus erneuerbaren Energien – etwa bei starkem Wind oder intensiver Sonneneinstrahlung – kann das Stromangebot kurzfristig stark steigen und die Nachfrage zu diesen Zeitpunkten übersteigen.
Intuitiv würden alle Stromanbieter, die zu Zeiten von Negativpreisen einspeisen würden, nun keinen Strom mehr in das Netz speisen oder Verbraucher explizit mehr Energie in diesen Zeiten verbrauchen. Leider ist das nicht immer gegeben, da zum Teil bestehende Anreizregularien oder technische Gründe dem entgegenstehen:
• Ein konventionelles Kraftwerk hat oftmals eine Mindestleistung, die erbracht werden muss, um den reibungslosen Ablauf des Kraftwerks aufrechtzuerhalten. Das vollständige Herunterfahren wäre mit Kosten, Verschleiß und weiteren Risiken verbunden.
• Marktunabhängige Einspeisevergütung: EE-Anlagen, die eine vom Marktpreis unabhängige Einspeisevergütung bekommen. In der Direktvermarktung gleicht die Marktprämie Preisschwankungen aus. Dieser Effekt wurde im Rahmen des Solarspitzengesetz angegangen. Allerdings gilt für Bestandsanlagen mit laufenden Vergütungsmodellen noch: Es lohnt sich nicht abzuschalten, obwohl kein Strom im System benötigt wird.
• Verbraucher sind oft unflexibel oder haben keine Verträge, die an die Marktpreise gebunden sind; entsprechend haben sie keinen Anreiz, auf fallende Preise zu reagieren, und mehr Strom abzunehmen.
Negative Preise sind daher nicht allein auf erneuerbare Energien zurückzuführen, allerdings ist eine nicht nachfrageabhängige Vergütungsstruktur, wie vormals im EEG angelegt, heute überholt. Treten negative Preise auf, so zeigen sie, dass es an Flexibilitäten auf Erzeuger- und Verbraucherseite mangelt und ggf. auch die Interkonnektoren zu unseren Nachbarländern weiter ausgebaut werden müssen.
Da Wind- und Solarstrom aufgrund niedriger Grenzkosten vorrangig eingespeist werden (Merit-Order-Effekt), verdrängen sie konventionelle Kraftwerke. Diese können jedoch oft nicht flexibel reagieren – etwa aus technischen oder vertraglichen Gründen.
Kraftwerke, deren Strom unabhängig von der Strombörse vermarktet wird, beispielsweise über Lieferverträge mit Mindestliefermengen, reagieren kaum auf die Preissignale an der Börse. Hierzu zählen beispielsweise Erzeugungsanlagen für den Eigenverbrauch, KWK-Anlagen mit Wärmelieferungsverpflichtungen oder EE-Anlagen, die eine vom Marktpreis unabhängige Einspeisevergütung bekommen. In der Direktvermarktung gleicht die Marktprämie Preisschwankungen aus.
Negative Strompreise sind erst seit 2008 an der Strombörse erlaubt. Seit dem steigt die Zahl der Stunden mit negativen Preisen kontinuierlich – von 64 Stunden im Jahr 2014 auf 457 Stunden im Jahr 2024, was rund 5 % des Jahres entspricht.
Ursache ist unter anderem der wachsende Anteil volatiler Erzeuger wie Wind- und Solarenergie. Der Zusammenhang von steigenden negativen Marktpreisen und erneuerbaren Energien-Anlagen liegt einerseits an der fehlenden Steuerbarkeit der Stromproduktion und andererseits an fehlenden Preisanreizen durch die Einspeisevergütung. Der Strom wird also unabhängig von erwarteten Verbräuchen dann produziert, wenn die Wetterbedingungen es zulassen, und es wurde keine ausreichende Anreizwirkung etabliert, die eine Abschaltung in Zeiten von Überschussstrom aus Sicht des Anlagenbetreibers rechtfertigt.
Doch auch andere Faktoren beeinflussen die Preisentwicklung: Technische Einschränkungen konventioneller Kraftwerke, fehlende Flexibilität im Stromsystem und regulatorische Rahmenbedingungen spielen eine zentrale Rolle.
Ab Mitte der 2020er-Jahre wird ein Rückgang der negativen Preisstunden erwartet. Gründe sind das Auslaufen der EEG-Förderung für viele EE-Anlagen, die dadurch stärker auf Preissignale reagieren müssen, sowie die Abschaltung konventioneller Kraftwerke, die bislang als Preispuffer dienten.
Negative Strompreise entstehen durch das Zusammenspiel aus hoher Einspeisung erneuerbarer Energien, begrenzter Speicher- und Netzflexibilität sowie geringer Nachfrage. Sie sind Ausdruck eines funktionierenden Strommarkts, stellen jedoch insbesondere für Erzeuger eine wirtschaftliche Herausforderung dar. Kurzfristig profitieren Großverbraucher mit direktem Börsenzugang von niedrigen Preisen. Für Erzeugungsanlagen hingegen bedeuten negative Preise fehlende Kostendeckung und teils zusätzliche Zahlungsverpflichtungen.
Langfristig ist eine Umgestaltung des Stromsystems notwendig, um negative Preise zu begrenzen. Dazu zählen:
• Sektorenkopplung zur besseren Nutzung überschüssiger Energie
• Erhöhung der Flexibilität auf Erzeuger- und Verbraucherseite
• Rückbau unflexibler konventioneller Kraftwerke
• Ausbau von Speichern und Netzen
• Verbesserte Prognosen für Wind- und PV-Einspeisung
• Marktintegration erneuerbarer Energien durch Auslaufen der EEG-Förderung
Regulatorische Maßnahmen wie das Solarspitzengesetz, das die Vergütung bei negativen Preisen ausschließt, setzen gezielte Anreize zur Netzentlastung. Die 4- bzw. 6-Stunden-Regel begrenzt zudem die Vergütung bei längeren Negativpreisphasen.
Werden diese Maßnahmen konsequent umgesetzt, ist mittelfristig mit einem Rückgang der Stunden mit negativen Strompreisen zu rechnen.