Definition
Unter Engpassmanagement sind die Maßnahmen der Übertragungsnetzbetreiber (ÜNBs) zu verstehen, welche Überlastungen der bundesweiten Stromleitungen, sogenannte Netzengpässe, verhindern. Engpässe entstehen durch eine überschüssige Stromproduktion, die aufgrund mangelnder Kapazität der physischen Stromleitungen nicht abtransportiert werden kann. Um solche Engpasssituationen zu vermeiden, werden Engpassmanagement Maßnahmen eingesetzt, wobei die wichtigste der sogenannte „Redispatch“ ist. Bei diesem handelt es sich um eine bundesweite Möglichkeit alle großen Erzeugungsanlagen anzusteuern und nach Bedarf zu drosseln oder hochzufahren. Wird durch die ÜNBs ein Engpass prognostiziert, so werden Erzeugungsanlagen vor dem Engpass gedrosselt und hinter dem Engpass hochgefahren. Dadurch ändert sich die absolute Stromproduktion nicht, lediglich der Ort der Produktion wird geändert, um die Stromleitung zu entlasten und so den Engpass zu vermeiden. Insgesamt wurden im Jahr 2021 rund 21 TWh (10,5 TWh Einspeisedrosselungen & 10,5 TWh Einspeiseerhöhungen) im Rahmen des Einspeisemanagements reguliert, was Kosten in Höhe von ca. 2,3 Mrd. Euro verursacht hat. (Bericht Netzengpassmanagement 2021, BNetzA)
Mithilfe des Redispatches wird also in die Betriebszeiten der bundesweiten Erzeugungsanlagen eingegriffen, um im Netz auftretende Engpässe zu vermeiden.
Wodurch entstehen Netzengpässe?
Grund für das Entstehen der Engpässe ist, dass die aktuelle Strominfrastruktur in Deutschland nicht auf die hohe Volatilität von erneuerbaren Erzeugungsanlagen ausgelegt ist. Durch die starke Wetterabhängigkeit schwankt die Stromproduktion der erneuerbaren Quellen stark. Das Stromnetz ist historisch jedoch auf sehr konstante, konventionelle Großkraftwerke ausgelegt und adaptiert sich nur langsam an die sich schnell wandelnde Stromproduktion. In der Vergangenheit wurde das Stromnetz oft als bundesweite „Kupferplatte“ bezeichnet, womit ein Stromnetz beschrieben ist, welches zu jeder Zeit den produzierten Strom in alle Richtungen leiten kann.
Das diese Beschreibung nicht mehr der Realität entspricht, ist am bekannten Nord-Süd-Engpass zu erkennen.
Durch einen verhältnismäßig schnellen Ausbau von On- und Offshore Windenergieanlagen im Norden Deutschlands, wird dort and windreichen und sonnigen Tagen ein beträchtlicher Überschuss and elektrischer Energie produziert. Dieser Überschuss muss, um das Netz nicht zu überlasten, Richtung Süden Deutschlands zu großen Verbrauchszentren wie Industriestandorten und Großstädten transportiert werden. Da der physische Netzausbau, also der Ausbau der Stromnetzkapazität, dem Ausbau der erneuerbaren Quellen deutlich hinterherhinkt, wie in unserem Artikel „Wie das Stromnetz auf 80% Erneuerbare Energien vorbereitet werden muss“ genau beschrieben wird, kommt es häufig zu Nord-Süd Engpässen. Die Folge davon ist eine Abschaltung von erneuerbaren Erzeugungsanlagen durch den Redispatch und ein Hochfahren von konventionellen Kraftwerken im Süden. 2021 wurden bereits 3% der gesamten Erneuerbaren Produktionskapazität abgeschaltet. Mit dieser Strommenge hätten bis zu 2 Millionen Haushalte versorgt werden können. Mit den ambitionierten Ausbauzielen der Bundesregierung auf 80% erneuerbaren Strom bis 2030, werden Netzengpässe noch häufiger auftreten. So ist allein von 2020 auf 2021 das Volumen der durchgeführten Engpassmanagement Maßnahmen um 19 % gestiegen. (Bericht Netzengpassmanagement 2021, BNetzA)
Als bundesweite „Kupferplatte“ kann das deutsche Stromnetz also in der heutigen Realität nicht mehr bezeichnet werden. Jedoch ist ein solches System in einer erneuerbaren Zukunft auch nur begrenzt gewünscht. Durch die extrem hohen Schwankungen der Erneuerbaren, wird zu Peak-Zeiten eine deutlicher Überschuss an Strom produziert. Das Stromnetz auf diese Peak-kWh Produktion auszulegen, sodass auch zu den absoluten Höchstzeiten der gesamte Strom ohne Engpass transportiert werden könnte, würde extrem unwirtschaftlich sein und viele Milliarden Euro kosten.
Eine Alternative zu den daraus folgenden Redispatch-Maßnahmen, welche die Abschaltung von Erneuerbaren zur Folge haben, ist die großflächige Integration von Speichersystemen, wie Batteriegroßspeicher oder Pumpspeicher. Diese würden sowohl den Netzausbau auf ein realistisches Maß begrenzen, als auch die Redispatch-Maßnahmen minimieren. Mehr zur Integration von Energiespeichern, ist ebenfalls im Artikel „Wie das Stromnetz auf 80% Erneuerbare Energien vorbereitet werden muss“ beschrieben.